Hildesheim als Teil europäischer Netzwerke

Im Dommuseum Hildesheim beginnt am 1. Oktober mit "Zeitenwende 1400" die bisher größte und aufwendigste Sonderausstellung seit der Wiedereröffnung des Museums vor vier Jahren.

Die Ausstellung „Zeitenwende 1400. Hildesheim als europäische Metropole“ zeigt ab dem 1. Oktober 2019 herausragende Kunstwerke aus der Zeit um 1400 und stellt sie zugleich in den kulturgeschichtlichen Kontext einer von Umbrüchen geprägten Zeit. Leihgaben aus vielen großen europäischen Sammlungen und den USA veranschaulichen das enorme Spektrum damaliger Lebenswirklichkeit mit seinen vielschichtigen Bezügen zur Gegenwart.

In den Jahrzehnten um 1400 erlebte Norddeutschland, insbesondere auch Hildesheim als Bischofssitz, eine kulturelle Blüte. Zugleich ist es eine Zeit entscheidender Weichenstellungen an der Schwelle zur Moderne. Die Ausstellung nimmt erstmals diese für ganz Niedersachsen wichtige historische Epoche in den Blick und verdeutlicht die Stellung und Bedeutung der regionalen Zentren im europäischen Kontext.

In Hildesheim verändern große Bauprojekte wie der Ausbau des Domes und die Errichtung großer Pfarrkirchen das Stadtbild. Das städtische Sozialwesen, besonders die Hospitäler, werden erweitert und sind gleichzeitig religiöse Orte mit qualitätvollen künstlerischen Ausstattungen. Bischof Gerhard gründete das Kartäuserkloster, das mit seiner strengen, auf Schweigen und persönlicher Gottesverehrung basierenden Ausrichtung ein spirituelles Zentrum der Stadt wird.

Die Fraterherren und andere geistliche Gemeinschaften bringen die Ideen der „Devotio moderna“ in die Stadt. Glaube wird als direkter Akt zwischen Mensch und Gott definiert und Bildung als Voraussetzung dafür vorangetrieben. In dieselbe Richtung gehen die Bemühungen des Nikolaus Cusanus, dessen Besuch in Hildesheim 1452 durch die sog. Cusanustafel mit volkssprachlichen Fassungen der wichtigsten Gebetstexte dokumentiert ist. Cusanus begründet die Bedeutung des Experiments für die wissenschaftliche Forschung und gilt mit seiner Forderung nach respektvoll tolerantem Umgang mit dem Islam als Vorreiter interreligiöser Verständigung.

Auf unterschiedlichen Ebenen ist Hildesheim Teil europäischer Netzwerke, die sich besonders in den erhaltenen Kunstwerken spiegeln. Hier spielt vor allem Frankreich als Zentrum elegant höfischer Kunst eine große Rolle. Hohe Mobilität ist kennzeichnend für die Epoche. Beispielhaft steht hierfür der Domherr Lippold von Steinberg. Er brachte von einer Pilgerreise nach Palästina Reliquien mit, darunter die des hl. Jakobus von Nisibis, der bis heute von Muslimen und Christen als Schutzpatron der Stadt Nisibis (Nusaybin) in der Türkei verehrt wird.

Zu den herausragenden Kunstwerken der Ausstellung gehört eine kleine, wohl in Lothringen oder der Champagne geschaffene Elfenbeinmadonna, eine Stiftung des Hildesheimer Bischofs Gerhard vom Berge. Zu den außerordentlichen ausländischen Leihgaben zählen ein Tafelbild mit dem gekreuzigten Christus aus der berühmten Kartause von Champnol, das heute in Cleveland aufbewahrt wird, und ein prachtvolles Trinkhorn, das zur Sammlung des Palazzo Pitti in Florenz gehört.

Prof. Dr. Claudia Höhl, die Direktorin des Dommuseums Hildesheim, sagt: „Die Kunstwerke und Objekte in der Ausstellung sind nicht nur Zeugen einer weit entfernten Epoche, sie spiegeln existenzielle Fragen und Bedürfnisse, die Sehnsucht nach Liebe, nach sicheren Wurzeln, die in schwierigen Zeiten Halt geben, die Angst vor dem Tod, die Faszination ferner Welten, aber auch die Furcht vor dem Fremden, vor dem Anderen. All das ist damals wie heute von großer Bedeutung. Die Ausstellung führt also nicht nur in die Vergangenheit, sie thematisiert Fragen der Gegenwart und nach der Gestaltung unserer Zukunft.“

Die Ausstellung „Zeitenwende 1400. Hildesheim als europäische Metropole“ ist vom 1. Oktober 2019 bis zum 2. Februar 2020 im Dommuseum Hildesheim zu sehen. Zeitgleich wird im Niedersächsischen Landesmuseum Hannover als zweiter Ausstellungsteil unter dem Titel „Zeitenwende 1400. Die Goldene Tafel als europäisches Meisterwerk“ gezeigt.

Erwachsene zahlen sechs Euro für den Eintritt ins Dommuseum Hildesheim. Personen bis 25 Jahre erhalten freien Eintritt. Für Gruppen ab 10 Personen, Studenten sowie Inhaber eines Schwerbehinderten- oder Sozialausweises kostet der Eintritt vier Euro pro Person.

Unter der Internetadresse https://www.zeitenwende1400.de informieren das Dommuseum Hildesheim und das Niedersächsische Landesmuseum Hannover über die gemeinsame Ausstellung. Das Portal eignet sich besonders für Smartphone-Nutzerinnen und -Nutzer.

Der Internetauftritt enthält animierte Bilder, die mit den Hashtags #Kampf, #Liebe und #Ferne versehen sind und auf bedeutende Exponate der Ausstellung hinweisen, etwa auf den Heiligen Georg als Drachentöter. Eingeblendete Nachrichtenbänder sowie kurze, originelle Texte im Meldungsstil ergänzen diese Trailer.

Wer #Message anklickt, wird eingeladen, das interaktive Message-Board im Dommuseum Hildesheim zu besuchen, eine technische Installation, die neun zur Ausstellung gehörende Exponate als digitale Kopien optisch aufbereitet. In der Art eines Frage-und-Antwort-Spiels, das an Gamification-Anwendungen angelehnt ist, können die Besucherinnen und Besucher mit den digitalen Doppelgängern interagieren und mehr über sie erfahren.

Die Ausstellung ist auch im Online-Dienst Instagram unter dommuseum_hildesheim zu finden. Hier gibt es bereits Einblicke in die Umbauarbeiten und einen Vorgeschmack auf die Ausstellung.